31.August. Mein letzter Substack-Eintrag ist fast einen Monat her. Das war so nicht geplant. Ich erinnere mich noch, wie ich im Januar meinen Substack-Account startete und nicht genug davon bekam, hier zu schreiben und zu posten. Ich war so begeistert von der neuen Plattform und Möglichkeit, meine Texte in die digitale Welt zu stellen, dass ich sogar ein Writers Kollektiv hier auf Substack mitbegründete.
Und jetzt ein Monat Stille?
Substack scheint zu einem weiteren Anzeichen geworden zu sein. Ein Anzeichen, das eine Phase des Verschlucktseins markiert. Es gibt auch andere: Meine Augenbrauen zum Beispiel. Wenn ich für einige Wochen verschluckt bin, realisiere ich das meist erst hinterher so richtig. Und meistens dann, wenn ich in den Spiegel schaue und sehe, dass aus meinen Brauen ein anarchischer Garten geworden ist (no offense an alle, die ihre Brauen gern und immer so tragen. Das ist einfach eine Frage der persönlichen Präferenz.)
Weitere Indizien dafür, dass ich in einem Rabbithole verschwunden bin: Ein nicht gestaubsaugter Boden. Abblätternder Nagellack. Diverse Herde der Unordnung auf meinem Nachttisch, dem Bad-Ablageregal und auf der Arbeitsplatte in der Küche. Eine wochenlange Abwesenheit auf meinen liebsten Spazierwegen. Und auf Netflix. Und nun also auch das Schweigen auf Substack.
Aber warum und vor allem wovon werde ich in regelmäßigen Abständen verschluckt?
Von meiner Arbeit. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Nicht von irgendeiner Arbeit. Sondern von längeren Projekten und diesem komischen Mechanismus, den sie bei mir auslösen. Eine Kettenreaktion, die ich (noch) nicht stoppen kann.
In meiner Selbstständigkeit gibt es immer wieder Phasen, in denen ich Aufgaben habe, die so groß sind, dass ich sie nicht an einem Tag erledigen kann. Manche ziehen sich über Wochen oder Monate hin. Launch-Vorbereitungen für eine Schreibwerkstatt sind zum Beispiel solche Phasen. Oder auch die Kreation neuer Workbooks. Der Umbau meiner Website.
Dann verschwinde ich in einem Loch, aus dem ich erst wieder auftauchen kann, wenn ich fertig bin. Dort sitze ich in der Dunkelheit, schufte vor mich hin, wische mir den Schweiß von der Stirn und werfe hin und wieder einen sehnsüchtigen Blick auf die Welt und das bunte, leichte Leben, das mir unendlich weit weg erscheint. Aber all das ist selbstgemacht. Niemand zwingt mich in diesen Bunker – ich gehe ganz eigenständig hinein.
Rein theoretisch könnte ich mir zwischendurch durchaus mal die Zeit nehmen, mir die Pinzette zu greifen und mir die Haare aus dem Gesicht zu zupfen, die mich stören. Aber mental geht es nicht. Etwas in mir kommt nicht genügend zur Ruhe. Etwas in mir will “durchziehen”, damit ich danach wieder aufatmen und “richtig” entspannen kann. Mein Kopf kommt nicht damit klar, angebrochene Tasks zwischendurch mal ruhen zu lassen.
Und wir reden hier nicht nur von einer Phase erhöhter Konzentration. Von notwendigem Fokus. Sondern von etwas, das darüber hinausgeht.
Ich lasse notwendige Pausen aus. Ich regeneriere zu wenig. Und ich weiß das auch. Obwohl ich nach einer Auszeit wahrscheinlich sogar viel besser und effizienter wäre, kann ich sie mir nicht nehmen. Ich bekomme Nackenschmerzen, Kopfschmerzen, kann nachts nicht schlafen, weil ich anfange, auf der Aufgabe herumzudenken. Manchmal zittere ich regelrecht vor Erschöpfung.
Aber ich höre nicht auf. Atemlos umklammere ich meine Aufgabe und haste von To-Do zu To-Do, bis es ausgestanden ist. Bis zum bitteren Ende. Solange hocke ich in meinem Erdloch, koste es, was es wolle. Das ist eine Eigenschaft, auf die ich nicht stolz bin. Aber noch fehlt mir die Vorstellungskraft, wie es anders gehen kann. Entspannen im Angesicht unerledigter Aufgaben – das scheint für mich unmöglich zu sein.
Was mir immerhin in dieser letzten Verschluckungsphase zum ersten Mal gelungen ist: Die Arbeit am Roman habe ich mit in meine Höhle unter der Erde genommen. Normalerweise habe ich auch diese kreative Lieblingsarbeit in einer solchen Phase draußen stehen lassen. Habe dem Tag entgegengefiebert, an dem ich endlich wieder schreiben “darf”. (Es ist seltsam, in diesem Zusammenhang von “dürfen” zu sprechen. Ich arbeite seit zehn Jahren selbstständig und die meisten meiner Deadlines setze ich mir selbst. Ich könnte also andere Deadlines setzen. Sanftere. Aber etwas in mir treibt mich weiter.)
Dieses Mal habe ich es – und ich glaube, das liegt am vorangegangenen Schreibsommer – geschafft, die Arbeit am Roman als Arbeit zu deklarieren. Deshalb konnte ich mein Buch irgendwie mit in mein Loch hineinmogeln. Das ist ein Erfolg.
Die Augenbrauen, Substack, das Badregal und meine Spaziergänge in der Natur aber blieben draußen. Versteht mich nicht falsch – ich bin ganz sicher keine Perfektionistin, weder was Beauty, noch meinen Haushalt angeht. Ich gehe ungeschminkt und unfrisiert aus dem Haus und ich bin froh, wenn ich es schaffe, aufzuräumen, bevor Besuch kommt.
Aber diese kleinen Dinge – die Form meiner Brauen, die Farbe meiner Nägel und die Frage, ob man meinen Nachttisch unter lauter Tassen, Büchern, Medikamenten und Haargummis noch erkennt oder nicht – sie sind für mich ein Symbol. Ein Symbol dafür, dass ich es während der Verschluckungsphasen nicht schaffe, mich gut um mich zu kümmern und das zu tun, was für mein Wohlbefinden wichtig ist.
Meine gesunden Routinen kann ich durchziehen, solange die Aufgaben klein sind. Da können sogar richtig viele Sachen anstehen – solange ich sie binnen eines Tages bewältigen kann, sind sie für mich mental verkraftbar und lösen nicht diesen “Durchziehen-und-Fertigwerden”-Drang aus. Aber alles, was mehrere Tage oder eben Wochen dauert, triggert eine Verschluckungsphase. Ich falle vom Rand der Erde und kann nichts dagegen tun, bis ich fertig bin.
Ich kenne diesen Mechanismus von mir auch von größeren Wanderungen oder Fahrradtouren (die sich aufgrund meiner chronischen Erkrankungen sowieso in Grenzen halten): Sobald es über meinen normalen Spazierradius hinausgeht, haste ich ohne Rast von A nach B. Dabei sollte ich ja eigentlich gerade bei längeren Strecken mehr Pausen machen, statt weniger. Und nichts von Außen drängt mich - der Tag ist noch lang, ich habe nicht einmal etwas anderes vor. Trotzdem eile ich dem Ziel entgegen, als wäre der Teufel hinter mir her.
Was treibt mich da? Oft ist es die Angst, nicht fertig zu werden – oder nicht anzukommen. Ich mache lieber schnell-schnell, betreibe Raubbau an meinen Kräften und komme völlig erschossen ins Ziel. Erst dann erlaube ich mir, auszuruhen. Muss ich aber auch, weil mein Akku tiefentladen ist und es mit einem faulen Sonntag oder einer Runde Maniküre + Netflix dann nicht mehr getan ist. Die Anstrengung zuvor war zu groß.
Wie kann man entspannen – inmitten von großen Aufgaben?
Ich kann Entspannung zwischen kleinen Anspannungen, aber ich kann keine Entspannung während einer großen Anspannung. Da fällt eine Tür in mir zu und irgendwas beginnt zu ticken und hört erst auf, wenn alles geschafft ist. Jeder Versuch einer Meditation oder Achtsamkeitsübung während dieser Phasen macht mich nur noch gereizter.
Ich habe keine Lösung für dieses Problem. Vielleicht wird es auch immer so bleiben. Vielleicht ist es meine etwas ungesunde, zyklische Art zu arbeiten. Vollgas oder Vollbremsung. Aber so richtig abfinden will ich mich damit auch nicht.
Kennt jemand dieses Phänomen? Habt ihr Tipps? Wie geht ihr damit um? Schreibt es gern in die Kommentare. Dann sind wir in unseren dunklen Behausungen unter der Grasnarbe wenigstens nicht so allein ;)
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Ich hab das nicht mehr, seit ich einen Hund habe. Der muss dann halt raus und weil er eine kleine Pöbelratte ist, muss ich für einen pöbelfreien Spaziergang auch meine Aufmerksamkeit auf den Hund richten. Das ist dann Pause genug, um nicht verschluckt zu werden.
Ich hab leider 0 Tipps aber musste gerad irgendwie lachen, weil es bei mir genauso die Augenbrauen sind, die anzeigen, dass ich verschluckt wurde. 😂 Und die Anzahl an Jutebeuteln, die an der Gaderobe hängen.