Ich liebe es, Texte, Bilder und Videos zu teilen. Ich bin Autorin und Künstlerin – und das nicht nur in der stillen Kammer. Ich gehe gern mit meinen Gedanken digital spazieren. Aber jeder, der über die letzten fünf Jahre auf Instagram aktiv war, weiß – der Algorithmus hat uns alle am Arsch. Wo man früher mit einem Textbeitrag noch eine beachtliche Menge Menschen erreichen konnte, dümpelt unser mühevoll zusammengestellter Content heute mit einem Drittel der ursprünglichen Reichweite in unserem Feed herum. Instagram bestimmt, wie vielen Follower*innen unser Content ausgespielt wird und wird mit dieser Zuteilung immer knausriger.
Eine Followerin schrieb mir, dass man laut eines Social Media Podcasts inzwischen 9 (!) Posts pro Tag veröffentlichen müsse, um eine anständige Reichweite zu erzielen. Das ist einfach kompletter Irrsinn. Dafür hat kaum jemand Zeit und Kraft.
Und die Erstellung von „relevanten Inhalten“ ist ja auch nur eine Seite der Medaille – hat man seine eigenen Inhalte erstellt und geteilt, hängt man nicht selten erschöpft auf der Couch und scrollt sich stundenlang sinnlos durch den Feed.
Wir kennen die Studien und Netflix-Dokus über die negativen Auswirkungen unseres Social Media Konsums. Und falls wir sie nicht kennen, haben wir diese Nebenwirkungen schon selbst gespürt: Wir ziehen unsere Kompetenz und unser Talent in Frage, weil wir mit dem Erfolg der anderen vermeintlich nicht mithalten können. Wir finden neue Schwachstellen an unserem Körper, unserer Wohnung, unserer Parternschaft, unserer Haut.
Wer fühlt sich besser, nachdem er eine ordentliche Runde auf Instagram gedreht hat – Hand hoch? Eben.
Für alle Kreativen außerdem ein wichtiger Punkt: Zeit, die wir passiv auf Social Media verbringen, ist meistens keine kreative Zeit. Klar, manchmal werden wir inspiriert – aber wenn wir ehrlich sind, versickern diese Impulse allzu oft zwischen den nächsten Bildern und Videos. Das ist nicht unsere Schuld. Apps wie Insta sind genau so designed. Die Appbetreiber wollen ja eben nicht, dass du Insta schließt und dich an den Schreibtisch setzt, um etwas zu kreiieren (es sei denn, es ist Content für Instagram).
Instagram reduzieren – oder es ganz aufgeben?
Wie kann also eine Lösung aussehen? Ich hatte bereits vor ein paar Jahren versucht, etwas zu ändern. Hatte die Anzahl der Accounts, denen ich folgte, massiv reduziert. Legte fest, nur noch 30 Minuten am Morgen und 30 Minuten am Abend online zu sein. Es klappte nicht. Ich blieb dauerhaft nicht dran. (Woran das lag, erkläre ich später.)
Ganz aufgeben wollte ich Instagram aber auch nicht. Aus folgenden Gründen:
1. Über Instagram habe ich Kontakt zu meiner Schreib-Community und damit vielen wunderbaren Menschen. Diesen Austausch will ich nicht missen.
2. Auf meinem Kanal teile ich Infos zu meinen Workshops und Schreibwerkstätten. Instagram ist für mich als Selbstständige also ein wichtiger Kanal, auf dem andere von meinen Angeboten erfahren.
3. Ich folge einigen Profilen, die mich wirklich inspirieren und bestärken.
4. Ich habe Fomo (fear of missing out). Ich käme mir etwas „abgeschnitten von der Welt“ vor – ganz ohne Instagram.
Punkt 1-3 sind valide, über Punkt 4 könnte man sicherlich streiten. Dennoch: Sich ganz rausziehen, das gelingt den wenigstens. Auch für mich war das keine Option. Aber ich wusste gleichzeitig: So, wie es bisher lief, ging es nicht weiter.
Denn es machte mich verrückt. Mein Gehirn war dauerüberreizt von all den Bildern und Texten, von dieser nie enden wollenden Flut von Inhalten. Ende 2021 hatte ich dann ein echtes Insta-Burnout. Im Wartezimmer beim Arzt, an der Bushaltestelle, an der Kasse im Supermarkt: Instagram war immer offen. Meine Kreativität ließ nach. Mein Gefühl von Selbstwirksamkeit auch. Morgens ging der erste Griff zum Handy und abends klickte ich mich durch Bilder, Storys und Reels, bis mir die Augen zufielen.
Aber ohne Langweile keine Kreativität. Ohne Leerlauf kein frischer Impuls. Ohne Pause keine Produktivität.
Und vielleicht lag es daran, dass im Februar mein 38. Geburtstag auf mich wartete und sich das plötzlich verdammt nah an der 40 anfühlte – aber ich fragte mich: War das meine Vorstellung von einem kreativen Leben? Diese Zahl war wie ein Weckruf. Was wollte ich vor 40 eigentlich gemacht haben?
Nicht, weil das die Gesellschaft sagt. Oder die Profile der anderen auf Instagram. Sondern ICH. Was wollte ich erschaffen und ausleben? Was wollte ICH mit meinem Leben tun? Stumpfes Scrollen gehörte definitiv nicht dazu.
Also traf ich eine Entscheidung: Zum Jahreswechsel habe ich Öffnungszeiten auf meinem Instagram-Profil etabliert. Ich dachte mir: Auch von einem offline-Laden erwarte ich nicht, dass er 24/7 offen hat. Hätte ich einen lokalen Store, würde ich doch auch nicht an jedem Wochentag und an den Wochenenden nonstop hinterm Tresen stehen. Warum also nicht dasselbe Prinzip auf Insta anwenden?
Wie funktionieren die Instagram-Öffnungszeiten?
Seit ich meine Öffnungszeiten implementiert habe, bin ich AUSSCHLIESSLICH von Montag bis Freitag zwischen 14 und 19 Uhr online. Natürlich nicht ununterbrochen. Aber nur in diesem Zeitfenster „darf“ ich posten, Stories teilen, auf Kommentare und Nachrichten antworten oder bei anderen mitlesen.
Außer am Wochenende ist meine Story also meistens gefüllt. Meine Follower*innen können sich meine Inhalte ja anschauen, wann sie möchten. Falls du dir Sorgen machst, dass deine Follower*innen dir weglaufen könnten, kann ich dich beruhigen: Sie feiern diese Idee ziemlich und manche machen sogar mit. Und sie haben mir bestätigt, dass sie nicht das Gefühl haben, mich durch die Öffnungszeiten seltener zu sehen. Auch ich kann keine Einbrüche in meiner Reichweite feststellen.
Was haben mir die Öffnungszeiten gebracht?
Genau das, was ich mir gewünscht habe: Mehr Kraft. Mehr Entspannung. Mehr quality time mit meinen Lieben und mit mir. Einen echten, erholsamen Feierabend und echte, erholsame Wochenenden. Gerade für Selbstständige sind Pausen so wichtig, um den Akku aufzuladen. Ich weiß, wie das ist: Man denkt auch am Wochenende gern mal an die Arbeit. Befeuere diesen Trend zur Selbstausbeutung nicht dadurch, dass du auch noch online verfügbar bist. Nimm dich raus. Gönn dir Ruhe und wirklich PRIVATE Zeit.
Seit ich weiß, dass ab 19 Uhr kein Insta mehr möglich ist, frage ich mich auch unter der Woche wieder viel aktiver: Worauf habe ich Lust? Was will ich unternehmen oder erschaffen? Zu wem oder was möchte ich Kontakt haben? Vor der Einführung der Öffnungszeiten habe ich das deutlich weniger gemacht – weil ich ja wusste, es gibt immer ein niedrigschwelliges Alternativprogramm.
Aber auch mein Beruf und meine Kreativität haben so stark von den Öffnungszeiten profitiert: Ich bin viel fokussierter. Und ich setze meine Ideen wirklich um.
Seit Beginn der Öffnungszeiten habe ich:
Meinen neuen Blog auf Substack gestartet und regelmäßig mit Leben gefüllt. Von Januar bis Mai habe ich im Schnitt 4 neue Blogposts pro Monat veröffentlicht. Das habe ich auf meinen alten Blog vorher JAHRE nicht mehr geschafft.
Ich habe so viel an meinem Roman gearbeitet, dass ich eine Leseprobe von 70 Seiten fertiggestellt habe, um mich damit bei Verlagen vorzustellen.
Ich habe einen Text für eine Anthologie geschrieben und eingereicht.
Ich habe ein Writers Kollektiv gegründet (in Kürze dazu mehr)
Eine Freundin und ich arbeiten an einer Podcast-Idee.
Ich habe digitale Brieffreundschaft mit meiner Autorinnenfreundin Oliwia begonnen.
Ich habe 3 neue Schreibworkshops konzipiert und umgesetzt.
All das gibt mir ein so starkes Gefühl von Sinnhaftigkeit und Erfüllung. Natürlich nicht permanent – du weisst, ich bin eine vehemente Verfechterin davon, dass alle Gefühle da sein dürfen. Und ich werde nie müde, zu betonen, dass es keinen Weg zu dauerhafter Glückseligkeit gibt, denn so ist das Leben einfach nicht. Auch ich habe immer noch Tiefs und Tage, an denen mir nicht alles gelingt. Aber meine Zufriedenheit insgesamt ist SO unfassbar viel größer.
Du liebäugelst nun auch mit der Idee von Öffnungszeiten? Hier kommen 3 Tipps von mir, wie du das am besten angehen kannst.
Wie legst du deine Öffnungszeiten fest?
Tipp 1: Öffne deinen Insta-Feed möglichst spät am Tag.
Das ermöglicht dir, jeden Tag mit einem frischen, unbelasteten Kopf zu starten. Wenn du noch niemand anderem beim Leben und Erfolg haben zugeguckt hast, bist du viel mehr bei dir – deinen Ideen, deinen Wünschen. Sich nicht schon am Morgen mit anderen zu vergleichen, gibt dir ganz viel von deiner Kraft zurück.
Tipp 2: Wähle ein Zeitfenster am Stück
Ich empfehle dir dringend, eine Uhrzeit am Stück zu wählen und eben nicht eine Stunde morgens und eine abends etc. Mit zwei Fenstern pro Tag konnte ich die Routine nie etablieren. Die Zeit „dazwischen“ war dann doch irgendwie nur die Zeit dazwischen, bevor es „endlich“ wieder erlaubt war, online zu gehen. Ich schaffte es nie, richtig abzuschalten.
Leg also, wenn möglich, pro Tag EIN Zeitfenster am Stück fest. Dieses Fenster wird dir mit der Zeit so selbstverständlich vorkommen, dass du es nicht mehr hinterfragst und auch außerhalb dieser Zeiten gar nicht mehr auf die Idee kommst, online gehen zu wollen. Es wird zu einer echten Gewohnheit. Nach einem Vierteljahr mit den Öffnungszeiten käme ich nicht mal im Traum darauf, am Wochenende auf Insta zu gehen. Es ist, als ob die App gar nicht existieren würde.
Tipp 3: Nimm Rücksicht auf deine anderen Routinen und vor allem deine Mahlzeiten
In meinem ersten Versuch habe ich mit einem Zeitfenster von 12 -17 Uhr experimentiert – und habe schnell gemerkt: Das geht an meinem Alltag vorbei. Zwischen 12 und 14 Uhr mache ich in der Regel Mittag und in dieser Zeit möchte ich nicht schon gehetzt daran denken, ob wirklich alles in meine Stories passt, was ich heute zu sagen habe. Mit so einem Stress im Nacken isst es sich denkbar unentspannt.
Am Nachmittag gehe ich oft eine große Runde spazieren und auch in dieser Zeit möchte ich keine Insta-Deadline spüren. Ich habe das Zeitfenster deshalb auf 14-19 Uhr verschoben und kann so auch nach meiner Runde noch mal nach dem Rechten sehen – jetzt habe ich das Gefühl, dass die Zeit locker reicht.
Leg deine Öffnungszeiten also so, dass sie nicht mit deinen Grundbedürfnissen kollidieren. Wenn möglich – halte dir den Abend und das Wochenende frei. Und experimentiere: Es muss nicht gleich beim ersten Versuch perfekt sitzen. Trial and error :)
Und noch ein Tipp zum Durchhalten:
Entferne die Insta-App von deinem Startbildschirm. Wenn ich den ganzen Tag sehe, dass da 22 ungelesene DMs auf mich warten, macht mich das auch nervös. Ich habe Insta auf den zweiten Bildschirm meines Smartphones gepackt, den ich nur durch Swipen erreiche. Das hat mir, gerade am Anfang, sehr geholfen.
Falls das nicht reicht – Follower von mir nutzen Apps wie “Stayfree”, die ihre Instagram-Zeit am Tag beschränken.
Alternativ kannst du auch in den Einstellungen deines Smartphones deine tägliche Bildschirmzeit festlegen und Limits für einzelne Apps definieren. Eine Freundin von mir hat den Code, mit dem dieses Limit verändert werden kann, von einem Freund einrichten lassen. So verhindert sie, dass sie selbst an den Zeiten rumschrauben und mogeln kann.
Zu guter Letzt noch ein Hinweis: Glaub mir – die Fomo vergeht schnell. Man verpasst wirklich nichts, wenn man von Freitag bis Montag und am späteren Abend nicht online ist. Im Gegenteil, wenn ich die App danach wieder öffne, denke ich oft: Huch, hier ist ja alles beim Alten :).
Wenn du deiner Kreativität eine Chance geben möchtest und dich wieder erholter und fokussierter fühlen möchtest – dann kann ich dir nur empfehlen: MACH. DIR. ÖFFNUNGSZEITEN. Tu es für dich.
Und wenn du magst, berichte mir, wie es läuft!
Vielleicht hast du es sogar schon mal ausprobiert? Was meinst du? Kommen Öffnungszeiten für dich in Frage?
Danke für den Reminder und deine Erfahrungen! Ich hab anfangs mitgemacht, dann hat es sich wieder verwässert... hatte auch zwei Zeitslots. Ich probiere es nun auch mit einem... vor allen nutze ich es beruflich gerade eh kaum und verliere gefühlt nur Lebenszeit... werde auch die Accounts, denen ich folge nochmal ausmisten 🙏🤗
Die FOMO geht wirklich schnell weg! Ich habe die Apps ganz gelöscht (dazu bald ein Newsletter) und mit der Zeit wird es immer einfacher.