“Heute hat niemand mehr ein Hobby” – konstatierte ein Dozent, seines Zeichens Kulturwissenschaftler, letztes Wochenende in einem Seminar über Literatur im digitalen Zeitalter.
Ist natürlich überspitzt formuliert.
Es gibt eine Menge Menschen, die leidenschaftlich ihrem Hobby nachgehen.
Aber: Es ist auch was Wahres dran.
In meiner Wahrnehmung fällt es uns immer schwerer, etwas nur zu tun, weil es uns Spaß macht.
Ohne den Hintergedanken: Hey, vielleicht könnte ich da “was draus machen”.
Ohne diesen unterschwelligen Wust aus Fragen wie: Könnte ich das auf Insta posten?
Könnte ich damit Geld verdienen? Könnte man das irgendwie professionalisieren?
Versteht mich nicht falsch: Ich finds großartig, dass das Internet uns die Möglichkeit gibt, Themen, Hobbies und Dinge, die uns wichtig sind, mit der Welt zu teilen.
Aber es ist auch ein bisschen sad, oder? Dass alles plötzlich irgendwie “präsentabel” sein muss. Gewissen Ästhetiken folgt. Dass in so vielen Dingen, die wir tun, ihre Außenwirkung mitgedacht wird. Eine Wirkung in einer theoretisch unendlich großen, digitalen Echokammer, in der wir auf Menschen, die uns kennen und solche, die uns noch nicht kennen, Eindruck machen wollen.
Mein Dozent meinte, Hobbies wären unter jungen Menschen der 60er und 70er Jahre DAS Ding gewesen. Danach seien sie abgelöst worden von den Subkulturen – Teenager, die sich Metal, Goth, Punk, oder Hiphop zurechneten und in dieser Zugehörigkeit ihre Identität ausbildeten.
Heute, so der Dozent, hat alles Selbstwertsinn: Ich lese, damit ich schlau bin. Ich ich mache Sport, damit ich gesund (und/oder “attraktiver”) bin. Ich gehe zum Töpferkurs, damit ich mit einer Vase nach Hause gehen kann, die ich hinterher auf einen Tisch stelle, mit instagrammable Blumen fülle und auf meinem Social Media Profil poste (wie absurd wäre uns das in den 90-ern vorgekommen?)
Heute ist das alles total normal. Aber das war nicht immer so. Ich erinnere mich zum Beispiel an meine Anfänge auf Instagram, im Jahr 2015. Damals wurden auf der Plattform noch Schnappschüsse aus dem heimischen Wohnzimmer und von random Blumenwiesen geteilt. Das Ganze hatte eher etwas von einem privaten Fotoalbum, in das man hineinlunsen kann, als von professioneller Selbstinszenierung.
Jetzt könnte man natürlich sagen, auch die Hobbies der 60er und 70er und die Subkulturen waren identitätsstiftend. Ob man als Hippie bei Woodstock abgehangen hat, Mitglied im Angelverein war oder Teil der Friedensbewegung – das, was wir tun, trägt sicher immer auch dazu bei, unser Selbst (und Selbstbild) zu formen.
Und doch sehe ich auch Unterschiede:
Die Grenzen zwischen Hobby und Profession verwischen immer mehr. Ist das Profil auf Instagram, auf dem das eigene OOTD oder eine Aufnahme der letzten Bandprobe gepostet wird noch privat – oder doch immer schon auf dem Weg zu einer möglichen Monetarisierung?
Und auch die Grenzen zwischen privat und öffentlich verschwinden, wenn ich mit meinem Content theoretisch binnen weniger Augenblicke tausende von Menschen erreichen kann. Ich zeige die selbstgetöpferte Vase eben nicht mehr nur Oma, Opa und dem Nachbarskind, sondern auch einer verschwommenen Masse an Profilbildern, hinter denen sich Personen verbergen, denen ich nie in meinem Leben begegnen werde.
Und vor diesem Hintergrund ist es sicher spannend, diesen Fragen mal nachzugehen:
Sind Hobbies tot?
Was tun wir eigentlich nur, um Spaß zu haben?
Und was von dem, was wir in unserer Freizeit machen, würden wir auch dann tun, wenn niemand jemals was davon erfahren würde?
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Ich war beim Lesen ganz erleichtert, dass ich tatsächlich ein „echtes“ Hobby habe, das ich nicht instagramme, professionalisiere oder sonst was: Kajak fahren.
Total guter Gedanke! 😊 Ich überlege aber gerade, wie das mit mir und dem Lesen ist. Auch wenn ich Bücher, die mir gefallen, auf Insta poste, macht mir das Lesen an sich einfach Spaß. Ich lese auch das, was mich interessiert, egal, ob "hohe" Literatur oder reine Unterhaltung.
Beim Schreiben hast du wiederum völlig Recht. 😅😁